Titel: Das Einfache, was schwer zu machen ist: Als radikale Klimabewegung gemeinsam wirkmächtig werden
Inhalt: In diesem Beitrag spricht sich die Aktions AG von Ende Gelände dafür aus, im deutschsprachigen Raum ein “antikapitalistisches Bündnis” von Klimagerechtigkeitsbewegungen aufzubauen.
Das Bündnis soll mit zivilem Ungehorsam und Sabotage gemeinsam klar machen: Die Bewältigung der Klimakrise kann nicht im Kapitalismus gelingen. Im Text beschreiben sie, warum jetzt die richtige Zeit dafür sei und wie das Bündnis in den nächsten Monaten geschlossen und in Vielfalt agieren könnte. Der Vorschlag soll auch auf der Strategiekonferenz in Köln (15.-18.6.) besprochen werden.
Sprache: Deutsch
Vorbemerkungen: Dieser Text wurde von der AG verfasst und stellt nicht die Meinung des gesamten Ende Gelände-Bündnisses dar. Wir möchten einen Vorschlag machen und eine Grundlage zum Diskutieren bieten, wie wir als Klimagerechtigkeitsbewegung aus der aktuellen strategischen Orientierungslosigkeit herausfinden können. Teile des Textes haben wir bereits auf dem Debattenblog der Interventionistischen Linken veröffentlicht (https://blog.interventionistische-linke.org/klima/ende-gelaende-ein-gruss-aus-der-zukunft).
TL;DR: Wir schlagen vor, nach dem Vorbild der Soulèvements de la Terre in Frankreich, eine Allianz der antikapitalistischen Klimagerechtigkeitsbewegung im deutschsprachigen Raum zu gründen. Durch bundesweite Mobilisierungen, die jeweils regionale und unterschiedliche thematische Schwerpunkte haben, aber durch eine gemeinsame Erzählung und Namen verbunden sind, verleihen wir der Bewegung dauerhafte Sichtbarkeit. Den konkreten Vorschlag findet ihr unter „Was das konkret bedeutet“ und „Vorschlag: Fahrplan für die nächsten 18 Monate“. Die Absätze davor und danach beinhalten die dahinterstehende politische Einschätzung und Motivation.
Wir brauchen französische Verhältnisse in Deutschland.
In Deutschland wirkt die Klimagerechtigkeitsbewegung wie gelähmt zwischen kompletter Ratlosigkeit und dem unbedingten Willen, moralisch das Richtige zu tun und deshalb nichts mehr zu tun, weil es kein richtiges Leben im Falschen gibt. Wir haben es bisher nicht geschafft, die kraftvolle Dynamik aus Lützerath Anfang des Jahres weiterzutragen. Wir fühlen uns individuell und als Gruppen in der Klimagerechtigkeitsbewegung vereinzelt und zersplittert. In den letzten Jahren gab es eine Diversifizierung von Themenschwerpunkten und Aktionen. Dies hat auf der einen Seite durchaus Vorteile: Viele Themen wurden und werden bearbeitet und die KGB ist nicht mehr wegzudenken. Auf der anderen Seite beobachten wir eine gewisse Orientierungslosigkeit, eine Vereinzelung und wenig langfristiges Empowerment.
Die einzigen, denen es gelingt die Klimakrise kontinuierlich auf die Tagesordnung zu setzen und dabei unterschiedliche Themen und Aktionsformen unter einem Label zusammenzubringen, sind die Letzte Generation. Auch wenn wir ihren erfolgreichen und öffentlich wirksamen zivilen Ungehorsam befürworten und uns geschlossenen gegen jede Repression stellen, bleiben ihre Forderungen reformistisch, ihre Aktionen richten sich nicht gegen das fossile Kapital und stellen die globale kapitalistische Ausbeutung im Kern nicht in Frage. Und dennoch sind sie aktuell die nach außen wahrnehmbare »radikale Flanke« der Bewegung.
In Frankreich braucht es die Letzte Generation nicht, weil ihr Angebot von der radikalen Linken gestellt wird. Les Soulèvements de la Terre haben gezeigt wie es geht. Ob Protest gegen Wasserbassins der industriellen Landwirtschaft oder den Bau neuer Autobahnen: Mit ihrer antikapitalistischen Tour de France durch die unterschiedlichen Themenfelder des Klimaaktivismus fordern sie den bürgerlichen Staat heraus und zeigen, dass die verschiedenen Kämpfe um Klima und Ökologie untrennbar zusammengehören. Es finden viele Aktionen an unterschiedlichen Orten statt, die zwar überregional vernetzt aber lokal verankert sind und ein gemeinsames Label tragen. Diese Symbolik macht deutlich: wir sind viele, wir sind stark und wir stehen zusammen – wir sind der Aufstand der Erde. Die französischen Genoss*innen haben dabei auch gezeigt, dass man die Kämpfe antikapitalistisch und militant zuspitzen kann.
Natürlich spielen sich unsere Kämpfe immer auch im innenpolitischen Kontext verschiedener Nationalstaaten ab. Uns ist bewusst, dass wir die Bewegung aus Frankreich nicht einfach nach Deutschland kopieren können. Und doch erscheint sie uns als Vorbild, um zu diskutieren wie auch wir stärker, sichtbarer und mehr werden können.
Ein Gruß aus der Zukunft.
Die Welt im Jahr 2025: Die Klimakrise spitzt sich immer weiter zu, und mit ihr haben sich auch weitere geopolitische Krisen verstärkt. Global ringen Nationalstaaten immer stärker und aggressiver um Macht und den Zugang zu immer knapper werdenden Ressourcen. Rechte Kräfte haben noch mehr Aufwind bekommen, militärische Aufrüstung und Abschottung ist das bestimmende Thema in Europa. Konservative Kräfte versuchen, auch noch das Letzte aus dem ausbeuterischen System herauszupressen, aber ihre breite Unterstützung fängt mehr und mehr an zu bröckeln.
Aber auch die Klimabewegung ist so stark wie schon lange nicht mehr und hat sich in den letzten Jahren noch offensichtlicher geteilt: in einen reformistischen Teil aus NGOs, Grüner Jugend und Teilen von FFF auf der einen und einen radikalen, emanzipatorischen Teil auf der anderen Seite. Während punktuell und strategisch Zusammenarbeit stattfindet, sind sie in der öffentlichen Sicht klar getrennt. Bezogen auf den Kapitalismus ist der radikalen Klimagerechtigkeitsbewegung eine starke Diskursverschiebung gelungen. Der kapitalistische Alltagsverstand, dass alles schon irgendwie weitergehen kann, ist zerstört. Die Klimagerechtigkeitsbewegung wird nicht müde, genau an diesen Punkten zu intervenieren. Durch das Zusammenspiel von vielfältigen Aktionen und Aktionsformen und der inhaltlichen Verbindung zwischen den einzelnen Aktionen, ist es gelungen, die Systemfrage immer stärker in den Mittelpunkt gesellschaftlicher Diskurse zu stellen. Auch in Arbeitskämpfen und in Streiks hat die Systemfrage eine zentrale Rolle eingenommen. Für die gesamte Gesellschaft ist Kapitalismus nicht mehr zu trennen von Ausbeutung an Menschen und Umwelt, und auch die Reformierbarkeit des Systems wird offen in Frage gestellt. Dadurch werden radikale Transformationsmöglichkeiten, mit dem Ziel einer Überwindung der kapitalistischen Katastrophe hin zu einer gerechten Gesellschaft, in weiten Teilen der Gesellschaft diskutiert und zunehmend ausprobiert.
Aber auch der staatliche Gegenwind, den wir schon 2023 kräftig zu spüren bekommen haben, hat weiter zugenommen und Repressionsbehörden versuchen, die gesamte Klimabewegung immer stärker zu kriminalisieren. Als diverse Bewegung mit breiter gesellschaftlicher Zustimmung gelingt es aber, den Repressionen standzuhalten. Es entwickeln sich zunehmend solidarische Netzwerke in der breiten Bewegung, in denen nicht nur politische Aktionen geplant werden, sondern ein gemeinsames politisches Leben stattfindet. Dieses politische Leben wird durch vielfältige Akteur*innen ergänzt, die ein widerständiges Netzwerk und selbstorganisierte Räume schaffen, in denen Utopien vorgelebt werden.
Vom Knüpfen neuer Bande.
Erreichen wollen wir diese Vision einer starken Bewegung durch ein geschlossenes Auftreten: eine Allianz der antikapitalistischen Klimagerechtigkeitsbewegung im deutschsprachigen Raum. Durch einen gemeinsamen Namen oder Slogan wird nach außen sichtbar, dass all unsere Kämpfe zusammengehören. Nach innen wirken wir damit der Vereinzelung entgegen und stärken die Verbundenheit untereinander. Natürlich braucht es innerhalb der Bewegung Raum für Diskussionen, Lernprozesse und Dissens. An gewissen Grundwerten besteht allerdings kein Zweifel: Wir stehen für eine solidarische, klimagerechte Gesellschaft ein und sehen die Lösung der Klimakrise nur jenseits von kapitalistischen und neokolonialen Ausbeutungsmechanismen. Aus der Bewegung finden viele kleine und große Aktionen (angekündigt und unangekündigt) unter einem gemeinsamen Label statt, in denen sich viele Menschen selbst ermächtigen und den kapitalistischen Alltag an vielen Stellen angreifen.
Bestehende Gruppen und auch neue Zusammenschlüsse arbeiten hierfür eng zusammen. Themenfelder bleiben erhalten, es findet aber eine stärkere gegenseitige Beteiligung und Unterstützung in den Kämpfen verschiedener linksradikaler Bewegungen statt. Es gab und gibt regionale und internationale Vernetzung und Zusammenarbeit. Und es gibt Skillshare, und viele Leute wissen, wie sie Aktionen machen können und sich darin gegenseitig emotional und praktisch unterstützen können. Akteur*innen werden durch die gemeinsame politische Praxis und das gewonnene Vertrauen weniger dogmatisch.
Was das konkret bedeutet.
Im Konkreten und als Erstes folgt für uns daraus, eine antikapitalistische Allianz aufzubauen, mit der wir unter einem kompakten Selbstverständnis und unter gemeinsamem Label den Kampf gegen das kapitalistische System als Ursache der Klimakrise in den Mittelpunkt stellen.
Das Selbstverständnis wäre auf wesentliche Kernpunkte reduziert, auf die wir uns in der radikalen Bewegung ohnehin immer wieder beziehen: Wir sind antikapitalistisch, antikolonial, queerfeministisch, antiautoritär und gegen jede Diskriminierung. Die Klimakrise ist die historische Folge von Kolonialismus und Kapitalismus und lässt sich ohne eine Überwindung des Kapitalismus nicht lösen. Wir wollen Klimagerechtigkeit, ein gutes Leben für alle und eine solidarische Transformation dahin, die global für alle Menschen gerecht ist.
Offen für alle Gruppen, die sich in diesem Selbstverständnis wiederfinden, bleiben wir nicht nur von der Zusammensetzung her vielfältig, sondern auch in unseren Ideen, wo wir gesellschaftliche Hebelpunkte sehen. Das gemeinsame Label kann überall bei Aktionen im deutschsprachigen Raum gegen den fossilen Kapitalismus verwendet werden (auch ohne notwendigerweise an gemeinsamen Allianztreffen teilzunehmen). Diese Aktionen haben unterschiedliche Ausprägungen, verschiedene Beteiligungsmöglichkeiten und werden von unterschiedlichen Gruppen gestaltet und getragen. Sichtbar werden der Zusammenschluss in Form einer gemeinsamen Erzählung, die sich in geteiltem Slogan, Logo, Hashtag und einer Website ausdrückt, die im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit von Aktionen verwendet werden. Wichtig ist, dass wir untereinander solidarisch sind und uns positiv aufeinander beziehen.
Als antikapitalistische Allianz ist es unsere Rolle mit einzelnen Aktionen, kontinuierlich und an vielen Stellen die Ausbeutung und Zerstörung im kapitalistischen Alltag aufzuzeigen und anzugreifen. Dabei sollten die Aktionsbilder direkt die politischen Forderungen transportieren, nach außen leicht vermittelbar sein und nach innen ein intuitiv greifbares Gefühl der Wirkmächtigkeit entfalten: Während der Internationalen Automobil Ausstellung legen wir bundesweit Autobahnen lahm. Wir besetzen Wälder und Dörfer um uns zerstörerischen Infrastrukturprojekten in den Weg zu stellen. In unangekündigten Aktionen werden Maschinen und Infrastruktur von klimaschädlichen Unternehmen der Zement-, Chemie- oder Stahlindustrie sabotiert. Bullshitindustrien drehen wir das Gas ab. Durch Wasserblockaden mit Kajaks hindern wir LNG-Schiffe am Anlegen. Gaspipelines drehen wir ab, fossile Infrastruktur für Gas, Kohle und Öl wird blockiert und unschädlich gemacht. Autofreie Städte nehmen wir selbst in die Hand und der Ticketautomat wird zerstört für freien ÖPNV.
Vorschlag: Fahrplan für die nächsten 18 Monate.
Wir schlagen vor einen gemeinsamen Namen zu wählen, der in sich eine politische Botschaft transportiert (wie Soulèvement de la Terre oder Letzte Generation; nicht technisch wie beispielsweise “Antikapitalistische Klima Allianz”). Er sollte deutsch sein, da wir uns im deutschsprachigen Raum verorten. Angelehnt an die Soulèvements de la Terre schlagen wir vor, die nächsten 1,5 Jahre in thematische Phasen zu teilen. Diese Phasen werden bestimmt durch jeweils eine große Aktion zu einem bestimmten Thema. Kleinere Aktionen zu dem selben Thema sollten dann in den gleichen Zeitraum fallen.
Zum Beispiel: Der Herbst des Jahres 2023 gilt dem Kampf gegen den Autokapitalismus. Im September wird die IAA in München blockiert, im Oktober der Weiterbau der A100 in Berlin. Andere Aktionen gegen den Ausbau von Straßen und Autofabriken fallen in den gleichen Zeitraum. Der Winter 2023/2024 ist “the last winter of gas”, in dem wir uns dem Bau der festen LNG-Terminals an Nord- und Ostsee entgegenstellen. Wenn ab 2024 Mühlrose abgebaggert werden soll, stellen wir uns diesem Wahnsinn mit zehntausenden in den Weg und machen klar, dass der Kohleausstieg weder 2038 noch 2030, sondern sofort passieren muss. Es folgt die Phase gegen den Zement, Anregung holen wir uns bei den französischen (https://twitter.com/illwilleditions/status/1601937473499799552?s=20) und schwedischen Genoss*innen (https://www.youtube.com/watch?v=zROOiTOEafE). Denn auch hier gilt: Zement ist eines der klimaschädlichsten Produkte überhaupt und der Wohnungsmangel in den Großstädten lässt sich nicht durch überteuerten Neubau, sondern nur durch gerechte Umverteilung des bestehenden Immobilienvermögens erreichen.
Wir denken, dass die sogenannte Regionalisierung bei Ende Gelände ein erster Schritt in diese Richtung ist. Regionale Bündnisse bereiten jeweils eine der Phasen vor. Die Mobilisierung kann durch den gemeinsamen Namen und die inter-regionale Vernetzung auf Bundesebene stattfinden. Wirkmächtig wird sie aber nur dann, wenn sich nicht nur Gruppen von Ende Gelände beteiligen, sondern mehr antikapitalistische Gruppen dazustoßen und die Phasen inhaltlich und aktionistisch bereichern.
Wir möchten diesen Vorschlag auf der Strategiekonferenz vom 16.-18.06. mit den anwesenden Deligierten diskutieren. Danach gibt es Zeit, diese und andere Diskussionen der Konferenz zurück in unsere Gruppen, Bündnisse und Bezugsgruppen zu tragen. Bei einer weiteren Konferenz an einem Tag des von Ende Gelände organisierten System Change Camps in der ersten Augustwoche kommen wir wieder zusammen. Hier entscheiden wir, ob wir als Klimagerechtigkeitsbewegung die Gründung einer antikapitalistischen Allianz wagen wollen.
Die politische Notwendigkeit einer antikapitalistischen Allianz.
Die gemeinsame Erzählung soll einerseits der Vereinzelung der deutschsprachigen Klimagerechtigkeitsbewegung entgegenwirken. Andererseits soll sie uns nach außen als kollektive Akteur*innen sichtbar machen – als geeinte Bewegung die (wieder) die Kraft hat, im öffentlichen Diskurs mitzureden. Wir sind überzeugt, dass eine befreite Gesellschaft nur jenseits des Kapitalismus möglich ist, denn ein gutes Leben für alle und das momentane System, das auf Ausbeutung beruht, sind nicht vereinbar. Für die radikale Linke ist das nicht neu. Auch Analysen über die Schädlichkeit von Kapitalismus, Neokolonialismus, Klimakrise etc. und wie diese Punkte alle miteinander verwoben sind und unsere Gesellschaft formen, gibt es zuhauf. Doch allein diese Offenbarung der Tatsachen bringt noch keinen Umsturz der Verhältnisse. Vielmehr müssen wir uns eingestehen, dass die radikale Linke weit davon entfernt ist, hegemonial zu sein, und daher zur Zeit gesellschaftliche Veränderung nicht bestimmen und gestalten kann. Gleichzeitig können wir in bestimmten Konflikten Wirkmächtigkeit entwickeln, wenn es uns gelingt, sie zuzuspitzen.
Große Teile der Gesellschaft hier, im Zentrum des Kapitalismus, haben sich mit dem Status quo abgefunden und profitieren von der imperialen Lebensweise. Wir sind uns bewusst, dass eine klimagerechte Welt deswegen auch gegen die Interessen von Vielen hier durchzusetzen ist. Doch ihr Frieden mit dem System ist brüchig, und die letzten, die jetzigen und die kommenden Krisen hängen mit dem Kapitalismus zusammen. Dabei wird dieser nicht müde, falsche Lösungen für große Probleme zu erfinden. Fair Trade gegen Neokolonialismus, grünes Wachstum gegen Klimawandel, feministische Außenpolitik gegen autoritäre Regime und Aufrüstung gegen imperiale Kriege. Hier können und wollen wir intervenieren, um nicht nur diese falschen Lösungen anzuklagen, sondern das System als Ganzes in Frage zu stellen und solidarische Alternativen aufzuzeigen. Wenn die Krisen häufiger und härter werden, der Klimawandel immer schwerer zu verdrängen und die falschen Lösungen immer offensichtlicher ins Leere führen, dann liegt es an uns die Systemfrage in den Mittelpunkt zu stellen.
Eskalation im Herzen der Bestie!
Wir sind verortet im Zentrum der Bestie. Das stellt uns vor die Aufgabe, hier und jetzt der Bestie den Kampf anzusagen. Ganz und gar nicht lässt uns das die Kämpfe vergessen, die an anderen Orten und im globalen Süden ausgefochten werden. Wir sehen es als eine aktive Unterstützung dieser Kämpfe an, wenn wir auch hier versuchen, auf eine revolutionäre Situation hinzuarbeiten. Und darin sehen wir einen konkreten und aktiven Teil im Kampf gegen Neokolonialismus, in dem es nicht nur um Repräsentanz geht, sondern um das Abschaffen der Verhältnisse, die Ausbeutung und Unterwerfung möglich machen. Die rassifizierte, neokoloniale und geschlechtliche Ausbeutung wird nicht allein dadurch abgeschafft, indem sie sichtbar gemacht wird, denn der globale Norden kennt die Auswirkungen seiner imperialen Politiken. Sie wird abgeschafft, indem ihr im globalen Norden die Grundlage entzogen wird. Wir wollen nicht weniger Ausbeutung, egal wo und egal wie sie sich im Konkreten äußert, z.B. in rassistischer oder sexistischer Weise. Wir wollen dieses System abschaffen!
Dabei wollen wir nicht nur in der Radikalität unserer Haltung, sondern auch in der Breite eskalieren. Wir sind überzeugt, dass es eine breite, aber in der Systemüberwindung unversöhnliche Allianz braucht. Wir sind es leid, ein bisschen mehr oder ein bisschen besser zu fordern. Wenn weniger schlimm immer nur weniger Ausbeutung bedeuten kann, dann braucht es gänzliche Veränderungen und damit ein Aufkündigen des scheinbaren Sozialfriedens und Korporatismus. Klassenkampf wird die ganze Zeit schon betrieben, uns gefällt nur die Klasse nicht, die ihn vorantreibt und gerade zu gewinnen scheint. Wir wollen in Aktion kommen und durch unsere Handlungen das System herausfordern. Angesichts der rasanten Eskalation der Gewalt der Klimakrise sehen wir inhaltlich breite, auf Kompromissen gebauten Bündnisse nicht mehr als den strategisch sinnvollsten Weg.
In den letzten Jahren haben diverse Gruppen versucht, Antikapitalismus mehr und mehr in die Breite der Gesellschaft zu tragen. Daran wollen wir anschließen und hoffen, dass es der Klimagerechtigkeitsbewegung gelingen kann, dies weiter und substanziell größer voran zu treiben. Wir denken, dass »den Leuten« das direkte Reden über die Misere zuzumuten ist. Ohne die Überwindung des Kapitalismus gibt es keine Möglichkeiten, auf die Klimakrise zu reagieren, die diese nicht weiter verschlimmern und Ungerechtigkeiten vertiefen wird. Das kapitalistische System produziert die Krisen und heizt bestehende weiter an. In den kommenden Jahren wird sich entscheiden, ob in Zukunft nur ein kleiner Teil der Menschheit gut leben kann oder ob eine solidarische Gesellschaft möglich ist. Deshalb ist es nach wie vor an der Zeit, die Systemfrage mit aller Kraft zu stellen.